Konflikte verstehen

„Manchmal ist es sinnvoll, davon auszugehen, dass es eigentlich der erklärungsbedürftige Sonderfall ist, dass Menschen sich verstehen“*

So lautet einer der Schlüsse, die Arist von Schlippe in seinem neuesten Buch „Karussell der Empörung“ am Schluss des Buches zieht.

Dieses Buch ist das beste Buch, dass ich bisher zum Thema „Konflikte verstehen“ gelesen habe.

Interessant für mich aus der Sicht des Mediators. Aber insbesondere auch aus eigener Sicht. Ein solch genialer Spiegel, der mir da vorgehalten wird und an dem ich erkenne, warum einer der sehr hoch eskalierten Konflikte, in denen ich gerade Beteiligter bin, dort steht wo er steht.

Neben den vielen augenöffnenden Inhalten besticht das Buch durch Kartoons, in denen Björn von Schlippe mit höchster Präzision und Finesse die beschriebenen Inhalte unterstützt.

Arist von Schlippe gibt einen hervorragenden theoretischen Hintergrund im ersten Teil, bevor er dann im zweiten Teil auf die eskalationsfördernden Einstellungen und Verhaltensweisen eingeht, so z.B. Wahrnehmungsverzerrungen, Zirkularität, Attributierungen, der Umgang mit Erwartungen und Erwartungs-Erwartungen um nur einige zu nennen. Alles Futter für das „Haustier“ als das man den Konflikt auch bezeichnen kann.

Im dritten Teil zeigt er dann Wege auf, die es Konfliktbeteiligten ermöglichen auf der Leiter der Eskalationsstufen wieder von einer hohen zu einer niedrigen zurückzusteigen.

Was ein wenig in den Hintergrund rückt, wenn man das Buch liest, ist der Vorteil von Konflikten (solange sie sich auf den unteren Eskalationsstufen bewegen). Erst das transparent machen unterschiedlicher Sichtweisen zu bestimmten Sachverhalten und das Vorhandensein unvereinbarer Erwartungen regt doch an, ein Thema weiterzuentwickeln. In diesem Sinne liebe ich Konflikte und bin jetzt in der Lage sie besser zu verstehen und dadurch hoffentlich auch im Sinne beider Konfliktparteien als Win-Win zu lösen.

Eines der Schlüsselworte, die ich Arist von Schlippe verdanke und gerne mitnehme und als Intervention als Konfliktbeteiligter unbedingt ausprobieren möchte ist „teilweise“.

„Teilweise“ ist mir zu viel Luhmann zitiert, eine Tatsache, die ich aber bei anderen Autoren aus dem systemischen Kontext auch sehe. Gibt es niemanden anderen, der ähnliches entwickelt hat, bzw. wieso wird Luhmann überwiegend nur im deutschsprachigen Raum so viel zitiert, stellt sich mir hier als Frage.

Ob wohl ich selbst schon über in große Fachbibliothek zu den Themen Kommunikation, Therapie, Konfliktmanagement etc. verfüge (u.a. auch viel Luhmann) sind doch viele neue Quellen für mich angestochen, die ein weiteres Nachlesen und Nachforschen initiieren. Die Anzahl der Bücher, die ich gestern aus der Literaturliste bestellt habe, ist zweistellig.

 

* Schlippe, A., 2022, S. 204

Facebooktwitterlinkedinrss